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Jenny-Heymann-Preis der GCJZ Stuttgart: Preisverleihung 2020

Für die Preisverleihung des Jahres 2020 war die Stuttgarter Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit im Mädchengymnasium St. Agnes zu Gast. Jenny Heymann hatte dort 1956, schon im Ruhestand, einen Lehrauftrag in der Oberstufe übernommen. Trotz der sich bereits in der Ferne abzeichnenden Corona-Krise war der Saal gut gefüllt. Die Präsentationen der Oberstufenschülerinnen und -schüler sorgten für interessante Gespräche.

Jenny Heymann sei heute „eine große Herausforderung“ für uns, so die Schulleiterin Marietta Steidle-Rieger in ihrem Grußwort, „angesichts einer Welt, in der sich durch die Globalisierung und die Digitalisierung unzählige Möglichkeiten sich zu verbinden, zu kommunizieren, Anteil zu nehmen, zu teilen“ ergeben würden. Doch stattdessen werde immer mehr der Ruf nach Zurückweisung, nach Abgrenzung laut, „werden Mauern zur Abschottung gebaut und Menschen wegen ihrer anderen Kultur, Hautfarbe, Religion oder einfach wegen ihrer anderen Lebensweise verfolgt oder sogar getötet. Die Anschläge von Halle, von Hanau, die Ermordung des Regierungspräsidenten Walter Lübcke zeigen uns“ so Steidle-Rieger, „dass wir gefordert sind, das Vermächtnis von Jenny Heymann umzusetzen, uns für eine demokratische Gesellschaft, für die Erhaltung der Grund- und Menschenrechte aktiv einzusetzen.“ Die Schulleiterin betonte, dass sie sich über diese Feier im Gymnasium St. Agnes freue – „nicht nur, weil Jenny Heymann auch hier als Lehrerin tätig war, sondern auch, weil die Preisträgerinnen und Preisträger in ihrem Sinn klar Position beziehen: Sie sagen ‘Nein‘ zu Rassismus und Gewalt, ‘Nein‘ zu Ausgrenzung und Entwürdigung und sie stellen diesem ’Nein‘ ein klares ’Ja‘ zur Wahrung der Würde aller Menschen, zu Freiheit und zu Toleranz entgegen.“

Impulse zum bundesweiten Rahmen der Preisverleihung, zur traditionellen „Woche der Brüderlichkeit“, gab der katholische Vorsitzende der GCJZ Stuttgart, Dr. Alfred Hagemann. Unter dem diesjährigen Motto der Gesellschaften, „Tu deinen Mund auf für die Anderen“, solle Position bezogen werden, damit Gerechtigkeit sich durchsetze und die Demokratie bewahrt bleibe. Ein besonderer Blick richte sich dabei auf den neuen Antisemitismus. Nach den Diskussionen der „Tagung für Archivpädagogik“ am 6. März 2020 müsse sich die GCJZ allerdings fragen lassen, so Hagemann, ob das Jahresmotto „Tu deinen Mund auf für die Anderen“ wirklich zeitgemäß sei. Michael Blume, dem Antisemitismusbeauftragten für Baden-Württemberg, wehrte sich auf dieser Tagung dagegen, von jüdischen Bürgern als von „den anderen“ zu sprechen. Der Blick richte sich heute auf die das Gemeinsame, nicht auf das Andere, vor allem auf die aus gemeinsamen Traditionen entstandene Kultur. Blume habe für das Jubiläumsjahr 2021 („1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“) „positive Erzählungen über jüdische Kultur“ eingefordert. Die Projekte rund um Jenny Heymann, da war Hagemann sich sicher, könnten dies sicher einlösen.

Im weiteren Verlauf des Abends präsentierten die Preisträgerinnen und Preisträger ihre Forschungsarbeiten, die überwiegend in den Seminarkursen der Oberstufen entstanden.Saskia Grasl, die mit dem ersten Preis ausgezeichnet wurde, sprach über „Theodor Herzls „Vision von einem Judenstaat im Vergleich zu Israel heute“. Die gelungene Verbindungen zwischen dem fiktiven Text Herzls und der israelischen Gegenwart hatte die Jury überzeugt. „Zwischen Ignoranz und Widerstand - Haltung der Bevölkerung im Raum Kirchheim/Teck gegenüber jüdischen Mitbürgern zur Zeit des Dritten Reiches“ lautete das Thema von Delia Grünzweig, für das sie mit einen zweiten Preis erhielt. Die Stärke der Arbeit sah die Jury „ in der Entdeckung und Aufarbeitung der lokalen Quellen“. Delia sei es gelungen, das „Thema Nationalsozialismus auf einen regionalen Bereich anzuwenden und seine Relevanz für die Gegenwart anzusprechen“. Anschließend sprach Tabea Bokelmann über den „christliche Zionismus in Israel am Beispiel des Kibbuz Beth-El“– über ein gut recherchiertes, bei den Zuhörern aber auch kontrovers diskutiertes Thema. Die Reihe der dritten Preisträger eröffnete Albert Wahl, der die Problemfrage stellte, ob denn das Militär die „wichtigste Institution des Staates Israel“ sei. Überzeugend war laut Kommission die „Erfahrungsbezogenheit“ der Arbeit. Im Rahmen seines Seminarkurses konnte der Verfasser in Israel die Bedeutung des Militärs im Alltag erkunden und mit der bundesrepublikanischen Wirklichkeit vergleichen. Einen Sonderpreis erhielt Christina Kautzmann für ihre Arbeit über „Jenny Heymanns Briefe an ihre ehemalige Schülerin Ilse Witty (1975-1994)“. Kautzmann sichtete eine Briefsammlung, die dem Stadtarchiv Stuttgart überlassen worden war und arbeitete bisher unbekannte Züge und Ansichten der Jenny Heymanns heraus.

Nicolas Lang, der stellvertretende katholische Vorsitzende der GCJZ, überreichte als Vorsitzender der Jury die Urkunden. Marie Chiara Rehm (eine Preisträgerin des Jahres 2016) übernahm die Moderation des Abends. Die Big Band des St. Agnes Gymnasiums unter Leitung von Herrn Brenner umrahmte die Preisverleihung gekonnt mit „Cantaloupe Island“ von Herbie Hancock und „Tango for Yam Yam“ von Zachary Smith. Mit einem Empfang fand der anregende Abend seinen Abschluss. Die GCJZ Stuttgart dankt der Gastgeberschule und ihrer Schulleiterin, Frau Steidle-Rieger, allen Helfern – und besonders Herrn Andreas Gräf! Die Preisverleihung 2021 wird im Königin-Katharina-Stift stattfinden. Alle Teilnehmer sollen sich bitte bis zum 1. Dezember 2020 schon einmal voranmelden, bis zum 15. Januar 2021 dann ihre Arbeiten einreichen.

Presse:Heidemarie A. Hechtel: Aus geschätzten Bürgern wurden Verfolgte. Für ihre Seminararbeit über das Schicksal der Juden in Kirchheim nach 1933 wird die 17 Jahre alte Abiturientin Delia Grünzweig an diesem Dienstag mit dem Jenny-Heymann-Preis ausgezeichnet. In: Stuttgarter Zeitung, 09.03.2020, Nr. 57, S. 19.

Heidemarie A. Hechtel: Vermächtnis von Jenny Heymann gilt als Auftrag. Schüler sind für ihre Arbeiten zum Judentum ausgezeichnet worden. In: Stuttgarter Zeitung, 12.03.2020.

Text und Fotos von Dr. Hagemann

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